Wenn Geld in der Familie fließt – eine Geschichte über Darlehen, Zinsen, Vertrauen und das Finanzamt

Manchmal schreibt das Leben die spannendsten Geschichten – auch, wenn es nur ums Geld geht. So wie im Fall von Anna* und ihrem Vater.

Alles begann im Jahr 1993. Anna war jung, voller Pläne und ein echter Familienmensch. Als ihr Vater in einer finanziell schwierigen Lage steckte, zögerte sie nicht lange. Sie lieh ihm 60.000 D-Mark. Es war eine Sache des Vertrauens – schließlich war es ihr eigener Vater. Die beiden hielten die Vereinbarung fest: Es handelte sich um ein Darlehen, also ein zurückzuzahlender Kredit. Doch über Zinsen sprachen sie damals nicht ausführlich – ein Fehler, wie sich später zeigen sollte.

Fast 30 Jahre vergingen, bevor Anna das Darlehen kündigte. Im Jahr 2022 bat sie ihren Vater, das Geld zurückzuzahlen – samt Zinsen, versteht sich. Doch der Vater sah das anders. Er meinte, es sei damals ein zinsloses Darlehen gewesen.

Anna war entsetzt. Aus ihrer Sicht war das nie so gemeint gewesen. In ihrer Familie war es nicht üblich, Geld ohne Zinsen zu verleihen – zumindest, wenn nichts anderes ausdrücklich gesagt wurde. Also zog sie vor Gericht. Doch das Urteil war ernüchternd: Die Richter gaben dem Vater recht – zumindest in einem wichtigen Punkt.

Wer etwas will, muss es beweisen

Das Gericht stellte klar: Im deutschen Zivilrecht gilt das sogenannte Beweislastprinzip. Das bedeutet: Wer eine rechtliche Forderung stellt, muss die dafür nötigen Fakten auch beweisen. Anna hätte also nachweisen müssen, dass damals eine Zinsvereinbarung getroffen wurde. Der bloße Hinweis, dass es "in der Familie üblich" sei, reichte nicht aus.

Familien-Darlehen sind kein Selbstläufer – das Finanzamt schaut genau hin

Was viele nicht wissen: Wenn Familienmitglieder untereinander Geld verleihen, ist das steuerlich durchaus interessant. Denn wenn Zinsen gezahlt werden, kann das zum Beispiel Steuervorteile bringen. Doch dafür muss einiges beachtet werden:

  • Es braucht einen rechtsgültigen Darlehensvertrag.

  • Dieser Vertrag muss auch tatsächlich umgesetzt werden – mit regelmäßiger Rückzahlung und Zinszahlungen, genau wie bei einem Geschäft mit einer Bank oder einem fremden Dritten.

  • Alles muss nachvollziehbar sein – das nennt man im Steuerrecht den „Fremdvergleich“. Das bedeutet: Würde ein fremder Geschäftspartner unter denselben Bedingungen zustimmen?

Ein ordentlich handelnder Unternehmer würde zum Beispiel den Zinssatz auf Basis von Marktinformationen festlegen. Innerhalb der Familie passiert das oft weniger förmlich – und genau da liegt das Problem.

Kein Vertrag, keine Zinsen, kein Steuervorteil

In Annas Fall war der fehlende Beweis zur Zinsvereinbarung ausschlaggebend. Das Gericht ging davon aus, dass kein Zins vereinbart worden war – und deshalb musste der Vater nur den geliehenen Betrag zurückzahlen, nicht aber zusätzliche Zinsen.

Was wir aus Annas Geschichte lernen können

Wer innerhalb der Familie Geld verleiht, sollte das nicht „nach Gefühl“ machen – auch wenn Vertrauen eine große Rolle spielt. Schriftliche Verträge sind wichtig. Und genauso wichtig ist, dass man sich an das hält, was man vereinbart hat: Rückzahlungen, Zinsen, Fristen – all das sollte genau dokumentiert sein.

Denn: Wenn das Finanzamt später prüft, ob ein solches Familiendarlehen steuerlich anerkannt wird, zählt nicht das gute Verhältnis zueinander, sondern ob das Ganze auch für einen Fremden plausibel wäre.

Oder anders gesagt: Auch in der Familie gilt – klare Verträge, klare Regeln.

*Namen sind frei erfunden. Der Fall wurde tatsächlich vor einem Finanzgericht verhandelt.

Andreas Russmann